25 Jahre nach dem EWR-Nein trafen sich einige der wichtigsten Exponenten, die 1992 gegen viel Widerstand für eine unabhängige Schweiz kämpften, im Bärenmattensaal Suhr. Allen voran Christoph Blocher. Der ehemalige Nationalrat und Bundesrat zeigt auch mit 77 noch keine Ermüdungserscheinungen und setzt sich weiterhin vehement gegen einen EU-Beitritt ein.
Einige der vordersten Reihen im Bärenmattensaal sind leer. Obwohl Christoph Blocher als Referent angesagt wurde und mit seinen temperamentvollen Reden immer noch ein Publikumsmagnet ist. Der Unternehmer Otto Suhner ist in seiner Funktion als Präsident von perspective.ch, dem sogenannten Forum für Weltoffenheit und Souveränität, Gastgeber des Abends. Er gehörte zu den einzigen Wirtschaftspersönlichkeiten, die 1992 Gegensteuer zur damals hoch angepriesenen Einbindung der Schweiz in die Europäische Gemeinschaft EG (heute EU) gab. Obwohl sie als nützlich für die Wirtschaft und schonend für die Souveränität angepriesen wurde. Die EWR wäre ein «Trainigscamp» zum späteren Beitritt in die EU gewesen, da waren sich sowohl der damalige Bundesrat als auch die Kontrahenten einig. Seit ihn eine Journalistin einmal gefragt hat, um welches Elektrizitätswerk es sich bei der EWR handle, spricht Blocher das Wort wieder ganz aus: EWR = Europäischer Wirtschaftsraum. Das Publikum lacht, die meisten sind reiferen Jahrgangs und haben das EWR-Nein am 6.12.1992 in lebendiger Erinnerung. Für sie sind Suhner und Blocher Helden, die sich gegen die Masse stellten. Etwas dünner gesät sind die jungen Zuschauer. «Wenn es im 22. Jahrtausend überhaupt noch Bücher gibt, wird eine Person darin stehen, welche die direkte Demokratie der Schweiz gerettet hat», ist Nationalrat Luzi Stamm überzeugt und wendet sich dann an den «Star» des Abends, der mit seiner Frau Silvia noch im Publikum sitzt: «Herzlichen Dank an Sie, Christoph Blocher», meint er.
Der angesprochene 77-Jährige tritt mit einer Vitalität auf die Bühne, wie sie für Personen seines Alters selten ist. Er ist getrieben von seiner Mission, die Schweiz zu retten. Und dann kommen nochmals die ganzen Reminiszenzen aus der Vergangenheit aufs Tapet. «Zwölf Monate vor der Abstimmung prophezeiten Umfragen 80 Prozent Zustimmung zum EWR-Vertrag. Die Befürworter sagten für den Fall eines EWR-Neins den Schweizern Armut und den Untergang der Eidgenossenschaft voraus.» Er lobt die damaligen Gegner des Vertrages, die er als «standhafte Männer und Frauen» bezeichnet, die von der «classe politique» als Hinterwäldler verspottet wurden. Er sei erschrocken gewesen, wie schnell über Nacht die Säulen der Schweizer Neutralität und Unabhängigkeit fallen gelassen wurde. Mindestens 200 Vorträge habe er pro Jahr im Vorfeld der EWR-Abstimmung gehalten und sei als Populist und gar Teufel verschrien worden. Auf der Grossleinwand wird eine Broschüre aus dem Jahr 1992 gezeigt, die vor der EWR-Abstimmung am Kiosk in Verkauf ging. Verfasst wurde sie von seiner Frau Silvia, die damals meinte. «Wir sollten einmal aufschreiben, was Du ständig erzählst.» Dass Blocher gut mit Kritik umgehen kann und sich nicht so schnell verbiegen lässt wie manche andere Politiker, können ihm selbst seine Gegner nicht absprechen. Aber auch wenn er mit seiner ruppigen und direkten Art reüssierte und als Hauptinitiant für das Nein zum EWR-Betritt galt, war er sich nicht immer so sicher wie es schien. «Mich plagten oft Zweifel, vor allem nachts. Wir wussten ja nicht, wie die Zukunft herauskommt.» Nach der Abstimmung begann für Blocher und die SVP ein steiler politischer Aufstieg.
Auf Widerstand gegen den EWR-Beitritt wie das 1992 der Fall war, stösst man heute nicht mehr. Die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer ist gegen einen EU-Beitritt. Doch Blocher traut der Sache nicht. «Die Verlierer haben den Volksentscheid von damals nie akzeptiert. Die Schweizerischen Staatssäulen sind gefährdet. Nicht von aussen sondern von innen.» Nach wie vor würden Verwaltung, Bundesrat und Parlament sowie Grossunternehmen mit ihren ausländischen Managern an einer Anpassung an das Ausland arbeiten und darauf abzielen, die institutionelle Anbindung der Schweiz an die EU durch einen Rahmenvertrag zu fördern. Doch dieser führe schlussendlich zum EU-Beitritt. «Es gilt, diesen Irrweg zu unterbinden», meint Blocher und zieht sein Fazit: «Wir stehen wieder – wie vor 25 Jahren – am Anfang des Kampfes für Unabhängigkeit, weil die classe politique das Gegenteil will.» Für ihn ist es klar: Keine Verträge, die die Handlungsfreiheit der Schweiz einschränken; keine Ankettung an die EU durch einen Rahmenvertrag; nein zur Personenfreizügigkeit und damit zusammenhängend ein klares Ja zur Volksinitiative für die massvolle Zuwanderung. Will er die Schweiz als Inselstaat vor dem Rest der Welt abschotten? «Keineswegs. Ich plädiere für freundschaftliche Beziehungen mit allen Ländern. Dafür, dass wir den bewährten Weg einer freien Schweiz mitten in Europa weitergehen und dort Grenzen ziehen, wo die schweizerische Unabhängigkeit, Neutralität sowie die Rechte von Volk und Ständen in Gefahr sind.» Ob man in der heutigen globalisierten Welt «de Füüfer und’s Weggli» haben kann, und was die Zukunft bringt, kann auch ein Christoph Blocher nicht beantworten. Er wird aber sicher niemals aufhören, für seine Ideale zu kämpfen.
Ursula Burgherr